Flüchtige Flohmarkt-Stillleben
Dass ein Flohmarkt eine wunderbare Ansammlung von Kuriositäten sein kann, braucht nicht besonders erwähnt werden. Jeder Besucher findet auf, unter und neben den Tischen der Händler zahlreiche Objekte, die für sich allein in den meisten Fällen keine Besonderheiten aufweisen, aber aus ihrem zufälligem Zusammentreffen ergeben sich neue Situationen, unerwartete Beziehungen und surreale Bedeutungen nach der alten Definition des Surrealismus, der klassisch als [.] die zufällige Begegnung eines Regenschirmes mit einer Nähmaschine auf dem Seziertisch beschrieben wird.
Wie gesagt, dieses Phänomen der eher unfreiwilligen Installationen, um einen modernen Kunstbegriff einzusetzen, ist bestimmt jedem Flohmarktbesucher bekannt, meiner Wenigkeit war es ebenfalls vor Jahren aufgefallen, als kleiner Sammler hätte ich gerne einige dieser Bilder nicht nur im Gedächtnis mitgenommen, denn, das war ja das ärgerliche: diese wunderbaren Treffen besonders der zahlreichen kleinen und großen Figuren, Gesichter, Masken, Köpfe, Büsten, Puppen, usw. verschwanden mit dem Ende des Marktes in Kartons und Kisten, falls sie nicht vorher verkauft worden waren, also kaum wieder auftauchen würden. Eher zufällig ergab sich eine Lösung: es fiel mir für wenig Geld eine fast schon professionelle Spiegelreflex-Kamera in die Hände. Also voilá, Kamera mitnehmen und die seltsamen unfreiwilligen Installationen auf, unter und neben den Tischen fotografieren.
Gleich zu Anfang aber stolperte ich über eine Schwierigkeit, die mit der eigentümlichen Welt der Flohmärkte zu tun hatte. Wenn ich ohne weiter zu fragen das Objektiv auf die entdeckten Objekte richtete, bekam ich manchmal unwirsche Fragen zu hören. Was mir denn einfiele, einfach so ohne zu fragen herumzuknipsen, was das denn bedeutete, ob ich von der Polizei wäre, ob ich auch die Leute hinter den Tischen fotografierte, was sich einige agressiv verbaten, ... ich stellte also fest, dass erst einmal freundlich gefragt werden musste, ob überhaupt und zu welchen Zwecke ich denn die Fotos machen dürfte. Bei manchem Aussteller löste die Erklärung ein Aha aus, und sie begannen ihre Tische besser zu ordnen, was allerdings nicht in meinem Interesse war. Ich fotografierte viel lieber die zufälligen Anordnungen.
Im Laufe der Jahre haben sich so einige hundert Fotos angesammelt, zumeist Dias, von denen ich einige dutzend digitalisiert habe. Immer wieder werde ich von Ausstellern nach Abzügen gefragt, die ich manchmal mitbringe, auch sollte ich eine Ausstellung auf meinem "Hausflohmarkt" hinter dem Unicenter in Köln aufbauen, was aber auf die altbekannte Schwierigkeit mit der Kunst stößt, die zwar schön ist, aber viel Arbeit macht. Also eröffne ich hiermit erst einmal eine virtuelle Ausstellung, und danach weitersehen, falls sich wirklich ein paar Leute mehr für reale Bilder der flüchtigen, skurrilen Stillleben auf den Flohmarkttischen interessieren.
Karl J. (Carlos) Müller (Dezember 2010)